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Die Rückkehr der Mitte Europas

Am 20. Juni 1948 fand im Westen des besetzten Deutschlands eine Wirtschafts- und Währungsreform statt, mit Freigabe der Preise und Einführung der Deutschen Mark (DM). Das Datum markiert den Beginn des marktwirtschaftlichen Wiederaufstiegs der westlichen Besatzungszonen und der späteren Bundesrepubli...

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Bibliographic Details
Published in:Perspektiven der Wirtschaftspolitik : PWP : eine Zeitschrift des Vereins für Socialpolitik 2019-02, Vol.19 (4), p.269-301
Main Author: Paqué, Karl-Heinz
Format: Article
Language:ger
Subjects:
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Description
Summary:Am 20. Juni 1948 fand im Westen des besetzten Deutschlands eine Wirtschafts- und Währungsreform statt, mit Freigabe der Preise und Einführung der Deutschen Mark (DM). Das Datum markiert den Beginn des marktwirtschaftlichen Wiederaufstiegs der westlichen Besatzungszonen und der späteren Bundesrepublik Deutschland. Das Wirtschaftssystem, das mit der Reform eingeführt wurde, die „Soziale Marktwirtschaft“, bewährte sich. Dies gilt für die beiden Dekaden der dynamischen Re-Integration Deutschlands in die Weltwirtschaft der fünfziger und sechziger Jahre; es gilt aber auch – trotz zeitweise aufgestautem Reformbedarf – im Wesentlichen für die Zeit des Strukturwandels ab 1973 im Gefolge der beiden globalen Ölkrisen. Auch die deutsche Wiedervereinigung 1990, insbesondere die Architektur der im Juni 1990 geschaffenen Wirtschafts- und Währungsunion, wurde von den historischen Lehren Westdeutschlands tief geprägt. Der darauf folgende Aufbau Ost war dabei im Wesentlichen erfolgreich, wenn auch Flurschäden von 40 Jahren Planwirtschaft und Isolierung vom Weltmarkt für die ostdeutsche Wirtschaft auf absehbare Zeit verbleiben. Karl-Heinz Paqué zieht eine insgesamt positive Bilanz der vergangenen 70 Jahre. Er deutet aber die Entwicklungen der Jahrzehnte nach 1948 und 1990 als Schritte und Stufen einer Rückkehr Deutschlands in die Rolle des wirtschaftlichen Wachstumspols in der Mitte Europas, wie sie bereits vor dem Ersten Weltkrieg angelegt war, aber in der Zwischenkriegszeit durch ungünstige politische Rahmenbedingungen und in den beiden Weltkriegen durch Gewalt, Zerstörung und Autarkiepolitik nicht zum Zuge kam. Die Vorstellung von einem radikalen Bruch, wie sie bekennende Ordnungspolitiker und Ordnungstheoretiker in der deutschen Tradition pflegten, ist insofern nicht haltbar. Sie liefert gleichwohl mehr als einen politischen Mythos, weil sie die Bedeutung des Vertrauens in marktwirtschaftliche sowie rechts- und sozialstaatliche Prinzipien in den Vordergrund rückt. Mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen der Zukunft – demografischer Wandel, Digitalisierung und Globalisierung – bleiben diese Prinzipien von überragender Bedeutung. Sie müssen aber zeitgemäß weiterentwickelt werden.
ISSN:1465-6493
1468-2516
DOI:10.1515/pwp-2019-0007